Dieses Gesundheitssystem macht krank

Am 22.06., dem Tag der Gesundheitsminister*innenkonferenz die dieses Jahr in Magdeburg stattfand, gab es auch in Freiburg eine Aktion welche auf die Missstände im Gesundheitswesen aufmerksam machen sollte. Schwerpunkt war in diesem Jahr die enorme gesundheitliche Belastung von Kolleg*innen die in diesem Bereich arbeiten, dafür steht das rote „K“ welches auf dem Platz der alten Synagoge ausgebreitet wurde. Die währenddessen gehaltene Rede wird hier in Auszügen dokumentiert.

Liebe Mitmenschen, wir sind das Netzwerk solidarisches Gesundheitswesen. Wir stehen heute hier, weil zeitgleich die Gesundheitsminister:innen-Konferenz in Magdeburg tagt und wir paar Takte zu sagen haben: 

Was für ein kranker Scheiß!

Unser Gesundheitssystem krankt. Unser Gesundheitssystem macht krank! Rote „K’s“, die für Krankmeldungen stehen, übersähen die Dienstpläne in Pflege- und Gesundheitseinrichtungen. 

In der Pflege ist die Zahl der Krankheitstage weit höher als in anderen Berufen. Altenpflegekräfte fehlten 2020 aufgrund von Krankheiten 24,8 Tage und damit rund zehn Tage mehr im Jahr als Berufstätige insgesamt. Meistens sind es Muskel- und Skelett-Erkrankungen durch die körperliche Belastung oder psychische Erkrankungen durch die ebenso hohe emotionale, soziale und psychische Belastung. 

Nicht ohne Grund ist die Berufsunfähigkeitsversicherung von Pflegenden mit einer der teuersten. Überdurchschnittlich viele Pflegende scheiden anfänglich aus dem Beruf aus – selbstbestimmt, weil sie sich gesund halten wollen und keine Perspektive sehen, oder bedingt durch eine Erkrankung. Sie wechseln den Beruf oder müssen in die Erwerbsminderung oder Förderung.        

Das hier ist kein neues Thema! Seit dem vergangenen Jahrhundert gehen die Pflegenden und andere Berufsgruppen aus dem Gesundheitssystem mit den gleichen Forderungen auf die Straße. Seit Jahrzehnten! 

Liebe Gesundheitsminister:innen: Wie kann man einen ganzen Berufsstand, eine der größten Berufsgruppen, bewusst so gegen die Wand fahren lassen?! Menschen so zu verheizen?! Das macht man nur, wenn man glaubt, sich aus dieser Misere wieder freikaufen zu können.  

Das ist allerdings ein riesiger Irrtum, denn der demografische Wandel, die immer älter werdende Bevölkerung, WIRD uns eines Besseren belehren. Und da darf man sich z.B. nicht so auf Anwerbemaßnahmen aus dem Ausland stützen. Eben das ist ein Versuch, sich freizukaufen, anstatt das Problem bei den Wurzeln zu packen!

Wir brauchen: 

Ein System, in dem genügend Geld für Care-Berufe bereitgestellt wird. Genügend Geld für nicht produzierende, für sorgende Berufe. 

Ein System, in dem Gesundheitsversorgung nicht dem Wettbewerb des Marktes überlassen wird.

Ein System, in dem genügend Zeit zur Erholung zugestanden wird. 

Wir wollen kein profitorientiertes, wirtschaftliches Gesundheitssystem. Wir wollen ein bedarfsorientiertes Gesundheitssystem!

Wir wollen Gesundheit für unser Gesundheitspersonal!

Aber das ist Realität in unseren Dienstplänen: Das rote „K“ für Krankheit!

Was hat unsere letzte Regierung für das Gesundheitspersonal getan? Was möchte die Ampel am Gesundheitssystem verändern?

Die Große Koalition und das damals von Spahn geführte Gesundheitsministerium rühmt sich mit der so genannten „Konzertierten Aktion Pflege“. Unsere Regierung gibt an, dafür gesorgt zu haben, dass die Löhne im Pflegebereich überdurchschnittlich gestiegen seien im Vergleich zu anderen Branchen. ABER diejenigen, die wirklich etwas von Pflege verstehen und wissen, was dieser Beruf umfasst, fordern ein Einstiegsgehalt von mindestens 4000€ und davon sind wir immer noch weit entfernt. Also liebe Bundesregierung hier können Sie noch keinen Haken hinter setzen! Hier ist immer noch Handlungsbedarf! Faire Löhne für die Pflege!

UND das ist AUCH ein Signal an alle Pflegenden: Organisiert euch gewerkschaftlich, denn besonders in sogenannten „Frauenberufen“ bedeuten gute Tarife mehr Gehalt und bessere Arbeitsbedingungen. Zur Konzertierten Aktion Pflege gehört eine Ausbildungsoffensive, um mehr Auszubildende für Pflegeberufe zu begeistern. Die Politik brüskiert sich damit, dass die Zahl der Auszubildenden steige. ABER die Zahl derjenigen, die noch während der Ausbildung abbrechen ist hoch, ebenso verlassen unheimlich viele den Beruf noch bevor sie 7 Jahre im Beruf gearbeitet haben. Das bedeutet einen große Verlust an Erfahrungswissen, welches besondern wertvoll ist. Die Azubis erleben einen riesigen Bruch zwischen Theorie und Praxis. Sie lernen: Du wirst die Patientinnen anleiten mit ihrer chronischen Erkrankung selbstständig umzugehen. Du sollst ausführliche Gespräche führen, um zu ermitteln, was ihre individuellen Probleme sind, wo du ihnen helfen kann. Von wegen!

Die reale Arbeit in unseren Krankenhäusern ist zum Teil keine Gesundheitsversorgung mehr. Was in den Krankenhäusern zum Teil passiert ist reine Schadensbegrenzung! Man wird seinen Ansprüchen an den Beruf nicht gerecht und das frustiert – so sehr, dass man es nicht aushält und den Beruf frühzeitig verlässt. Was macht oder besser will die Bundesregierung noch machen? – Eine bedarfsgerechte Personalbemessung. Ja  – unbedingt! ABER ohne Hintertürchen! – Pflegende die darauf basierend eingestellt werden, dürfen keine fachfremden Tätigkeiten übernehmen und Pflegehelfer:innen müssen zusätzlich geplant werden können. 

Eine Studie der Uni Bremen von der Regierung in Auftrag gegeben, kommt zu dem Ergebnis, dass stationäre Pflegeheime ihre Besetzung um ein Drittel ausbauen müssen. Sie empfehlen besonders die Stellen für Assistenzkräfte auszubauen. Pflege wird in kleinere Aufgabenfelder aufgesplittert. Auch die Akademisierung der Pflege scheint das Ziel zu verfolgen, die Pflege in Planung, Dokumentation, Evaluation und der direkten Pflege am Bett, Grundpflege wie Waschen und Vitalzeichen erheben aufzuteilen. Wir bezweifeln stark, dass das die Lösung ist. Deutlicher noch: Das widerspricht dem Verständnis der Pflege von ganzheitlicher Versorgung.

Liebe Gesundheitsminister:innen: Hört doch mal zu!  Die Pflegenden beschweren sich nicht darüber Pflegen zu müssen. Die Pflegenden beschweren sich, weil sie keine Zeit haben zu pflegen! Das ist Ihr Auftrag, dafür zu sorgen, dass Pflegende ganzheitlich pflegen können! Pflegende leiden mit ihren Patientinnen und Patienten unter dem wirtschaftlich getriebenen System.  Mit anzusehen, wie getrieben, wie unpersönlich, wie technisch, wie gesichtslos die Behandlung der Patientinnen und Patienten in unseren Krankenhäusern abläuft – DAS frustriert.  Das widerspricht dem grundlegenden Verständnis der Pflege einer individuellen, ganzheitlichen und bedarfsorientierten Versorgung. Unter diesem System leiden nicht nur Pflegende. Auch die anderen Berufsgruppen, wie Therapeut:innen, Medizinischfachangestellte,  Ärztinnen und Ärzte. Auch sie sind überlastet und in manchen Fachbereichen viel zu knapp besetzt. Auch Ärztinnen und Ärzte arbeiten unter hohem Druck, oft mit der Sorge etwas vergessen zu haben oder einen Fehler zu machen oder mit dem Wissen dem und der Einzelnen nicht gerecht werden zu können. Unsere ärztlichen Kolleginnen und Kollegen sind aber zumindest, was die Finanzierung angeht, in einer anderen Situation. Denn das Gesundheitssystem basiert auf den Fallpauschalen, also ärztlichen Diagnosen und Therapien. Das Sagen besonders in den privaten Krankenhäusern haben aber heute weder Ärzt*innen noch Pflegekräfte, sondern Betriebswirte, ein hoher Betriebsgewinn-Profite werden dadurch zum Hauptzweck aller Behandlungsmaßnahmen.

Man kann nicht sagen, dass die GroKo nichts getan hat – das wäre gelogen. Die Pflege in den Krankenhäusern wird nicht mehr über die Fallpauschalen finanziert, sondern wirklich jede Pflegestelle wird von den Kassen refinanziert. Den Krankenhäusern wurde also der Anreiz genommen, am Pflegepersonal zu sparen. ABER wie ich bereits erläutert habe: Das ändert nichts daran, dass die Pflegenden in einem profitgetriebenen System arbeiten müssen. Pflege bringt keinen Profit und das soll sie auch nicht. Das darf aber nicht die Voraussetzung dafür sein, dass sie aufgewertet wird. Und was hat die Ampel vor? – Sie möchte das Fallpauschalensystem auf den ambulanten Bereich ausweiten. Nein! Ganz falsche Richtung! Rotes Stopp-Schild für diese Idee!

Liebe Frauen und Herren Gesundheitsminister:in: Packen Sie das Problem bei den Wurzeln! Schaffen sie ein bedarfsgerechtes Gesundheitssystem!

Beenden Sie die patientenfeindliche Kommerzialisierung unserer Krankenhäuser!

Krankenhäuser gehören in öffentliche Trägerschaft!

Gewinne privater Klinik- und Pflegekonzerne gehen immer auf Kosten der Mitarbeiter*innen.

Patienten sind keine Kunden und Gesundheit ist keine käufliche Ware!