Positionspapier zur Pflegekammer

Die Pflegekammer löst die Probleme der Pflege und im Gesundheitsproblem nicht

Momentan ist von vielen Seiten zu hören, es bräuchte dringend auch in Baden-Württemberg eine Pflegekammer, um endlich die vielen Probleme im Pflegeberuf zu lösen. Beispielsweise denken so die Grünen in Baden-Württemberg oder der Deutsche Pflegerat. Auch diverse Pflegedirektorinnen großer Kliniken rühren kräftig die Werbetrommel für die Einführung der Pflegekammer. Viele Befürworterinnen der Einführung von Pflegekammern lassen sich auch von einer mehrheitlichen Ablehnung durch die Pflegenden selbst, wie in Niedersachsen oder Schleswig-Holstein, nicht von ihrem Vorhaben abbringen.

Meistens wird wie folgt pro Pflegekammer argumentiert:

  • Die Selbstverwaltung und Autonomie der Pflege sei wichtig und Grundvoraussetzung dafür, dass sich etwas zum Besseren verändern könne. Nicht andere wie Politik, Krankenkassen oder Ärzt*innen sollten über die Belange der Pflege bestimmen sondern die Pflege selbst.
  • Eine Berufsaufsicht über die Pflegenden, welche die Qualität ihrer Arbeit kontrolliert, fehle. Darunter leide die Qualität der Pflege. Da wäre die Kammer wichtig.
  • Angebote der Fort- und Weiterbildung wären ebenfalls ohne Pflegekammer weiterhin Mangelware.
  • Die Interessen der Pflege sind durch die Gewerkschaft ver.di ungenügend vertreten. Dort gibt es zu viele Branchen und die Pflege komme zu kurz. Auch für effiziente Lobbyarbeit fehle es an Kenntnissen. Ver.di sei nicht wahrnehmbar als Stimme der Pflege.

Aber stimmt das wirklich? Als Netzwerk solidarisches Gesundheitswesen sind wir der Meinung, die Pflegekammer ist nicht dazu geeignet, die Probleme der Pflege und des Gesundheitswesens zu lösen.

Berufskammern sind Organe der beruflichen Selbstverwaltung, sie bekommen berufsbezogene Aufgaben vom Staat übertragen. Üblicherweise gibt es Berufskammern in sogenannten „freien Berufen“ (Anwältinnen, Apothekerinnen, Ärztinnen etc.) Pflegende sind in Deutschland zu 95% Angestellte, es braucht also eine solche Aufsicht durch die Kammer wie bei den „freien Berufen“ nicht. Die Kammer ist für Pflegende im Angestelltenverhältnis ungeeignet. Die Probleme der Pflege sind zu einem großen Teil auch Probleme des Gesundheitssystems. Die Fallpauschalen in den Krankenhäusern und das generelle ökonomische Diktat im Gesundheitssystem führen zu schlechten Arbeitsbedingungen (Arbeitsverdichtung, Zeitmangel, Privatisierung etc). Hier ist die Politik in der Verantwortung, für gute Rahmenbedingungen und insbesondere eine auskömmliche Finanzierung zu sorgen. Was soll die Pflegekammer daran ändern? Ein grundlegendes Problem für den Pflegenotstand ist das unzureichende Gehalt. Die Verhandlung über die Höhe des Gehalts ist Sache der Tarifpartnerinnen, also Gewerkschaft und Arbeitgeberinnen. Die Pflegekammer ist elitär, viele beruflich Pflegende werden ausgeschlossen: zum Beispiel ungelernte Pflegehelfer, OTAs und ATAs. (Operations- bzw. Anästhesietechnische Assistenz). Das ist unsolidarisch und teils absurd, wenn die gleichen Arbeitgeberinnen, die gerade für die Pflegekammer werben, genau solche Ausbildungen wie OTA und ATA verstärkt fördern. Die Kammer würde zu einer Situation führen, in der die gemischten Teams, in denen im Gesundheitssystem gearbeitet wird, unweigerlich gespalten werden. Genau das Gegenteil von dem, was nötig wäre bei ohnehin prekären Arbeitsbedingungen.
Die Pflegekammer hat einen sehr stark verpflichtenden Charakter, ohne dass erkennbar wäre, welchen Nutzen diese für die Pflegenden bringen würden. Die bereits bestehenden Berufsverbände können die beratende Funktion als „Stimme der Pflegenden“ genauso übernehmen.
Es ist zu befürchten, dass auf die Pflegenden zukünftig mit der Kammer Druck von zwei Seiten zukommen würde. Wenn diejenigen, die in der Pflegehierarchie im Betrieb oben stehen und Druck erzeugen, nun auch nach den oberen Posten in der Kammer streben. Diese Hierarchien sind neben der fehlenden politischen Lobby der Grund, warum eine Interessenvertretung für die Pflege außerhalb der Vertretung durch ver.di nicht funktioniert.
Die Pflegekammer bringt keine Verbesserung bei Fort- und Weiterbildung für Pflegende. Es ist zu befürchten, dass es zu einer Verschiebung der Verantwortung kommt. Zukünftig kümmern sich dann nicht die Vorgesetzten um die Fortbildungstermine, sondern die Pflegenden selbst in ihrer Freizeit, um keinen Stress mit der Kammer und deren Berufsaufsicht zu bekommen. Im Angestelltenverhältnis ist es viel sinnvoller, dass Fortbildungen in der Pflicht der Arbeitgeber*innen sind. Für gute Qualität fehlt es der Pflege vor allem an Zeit.

Deshalb sind wir der Meinung, stoppt diesen Unsinn in Baden-Württemberg rechtzeitig, bevor er eingeführt wird. Damit uns ein Gezerre um die Vertretung der Pflege wie in Niedersachsen und Schleswig-Holstein erspart bleibt.
Pflegende brauchen eine Veränderung in der Finanzierung im Gesundheitssystem, eine gesetzliche Personalbemessung für gute Arbeitsbedingungen, eine angemessene Bezahlung und eine Interessenvertretung wie die Gewerkschaft ver.di, die sich aktiv für diese Ziele einsetzt. Dann stehen die Chancen gut, dass es im Pflegeberuf im Laufe der nächsten Jahre auch wieder besser wird.

Weiterführende Links und Quellenangaben

Zu Berufskammern:

https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Berufskammern

Überblick über Kammern in div Bundesländern.

https://www.bibliomed-pflege.de/sp/artikel/40561-pflegekammerwo-stehen-die-bundeslaender

Seiten Pro Pflegekammer:

DBFK: „Darum brauchen wir Pflegekammer“.

https://www.dbfk.de/de/themen/Pflegekammer.php

Homepage „Pflegekammer jetzt des DBFK“.

https://www.pflegekammer-jetzt.de/index.php/startseite.html

Homepage der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz

https://www.pflegekammer-rlp.de/index.php/startseite.html

https://sozialministerium.baden-wuerttemberg.de/de/gesundheit-pflege/pflege/pflegekammer-in-baden-wuerttemberg/aufgaben-einer-pflegekammer/

Sozialministerium BaWü; „Welche Aufgaben übernimmt eine Pflegekammer?“

Hier wird auch erklärt wer in der Pflegekammer ausgeschlossen wird wie OTA und ATA.

Infokampagne Landespflegekammer BaWü

https://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP16/Drucksachen/6000/16_6808_D.pdf

Drucksache zur geplanten Pflegekammer in BaWü aus dem Landtag.

Situation Pflegekammer in Niedersachsen und Schleswig-Holstein

https://www.kma-online.de/aktuelles/politik/detail/hannover-beschliesst-aufloesung-der-pflegekammer-zum-30-november-a-45446

https://de.wikipedia.org/wiki/Pflegekammer_Niedersachsen

https://de.wikipedia.org/wiki/Schleswig-Holsteinische_Pflegeberufekammer

https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Pflegekammer-SH-Knapp-92-Prozent-der-Mitglieder-wollen-Aufloesung,pflegeberufekammer116.html

Contra: Pflegekammer:

Partei Die LINKE

https://www.dielinke-nds.de/start/aktuell/detail/news/die-pflegekammer-hat-keine-fehler-sie-ist-der-fehler/

http://pia-zimmermann.de/tag/pflegekammer/

Ver.di:

https://gesundheit-soziales.verdi.de/themen/pflegekammern/++co++edadb76c-bd59-11e6-baad-525400ed87ba

https://gesundheit-soziales.verdi.de/themen/pflegekammern/++co++4a628906-bd5f-11e6-b64a-525400ed87ba

https://gesundheit-soziales.verdi.de/themen/pflegekammern/++co++0613bf48-bd52-11e6-8f5b-525400423e78

Sonstige Kritik:

https://www.bpa.de/fileadmin/user_upload/MAIN-dateien/pflegekammer/index.html

https://www.pflegekammer-stoppen.de/faq.html

Deutscher Caritasverband spricht sich gegen Pflegekammern aus.

file:///C:/Users/User/AppData/Local/Temp/DCV_Position_Pflegekammern_2013.pdf

https://kammergegner.de/

Pflegekammer: Pro und Contra aus Hessen.